Nicole, 48 Jahre, stark, mutig, bewundernswert! Im Jahr 2010 erhielt sie die Diagnose Brustkrebs. Nicole ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes, der mit einer schweren Mehrfachbehinderung geboren wurde.
Wie sie mit diesen großen Lebensherausforderungen umgeht, berichtet sie uns in einem Interview. Wir danken Nicole, dass Sie uns an ihrer Geschichte teilhaben lässt. Ihr Mut gibt bestimmt sehr vielen Menschen Hoffnung!
Oncovia: Es ist mittlerweile 7 Jahre her, dass bei Dir Brustkrebs diagnostiziert wurde. Kannst du uns von Deinem Tag der Diagnose und der Zeit kurz danach erzählen?
Nicole: Die Diagnose Brustkrebs, habe ich unbeabsichtigt mehr oder weniger am Telefon erfahren. Noch für den gleichen Tag vereinbarte ich einen erneuten Termin im Brustzentrum. Die Ärztin eröffnete mir, dass ich an zwei dicht beieinanderliegenden, bösartigen Tumoren erkrankt sei, ich auf jeden Fall eine Chemotherapie benötigen werde, man brusterhaltend operieren und ich im Anschluss eine Bestrahlungstherapie benötigen werde. Den Hormonstatus meiner beiden Tumore, kannte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auf meine Frage, ob ich nun sterben müsse, sagte man mir, dass ich daran nicht denken solle und ich wieder gesundwerden würde. Aber zu diesem Zeitpunkt kannte ich bereits Frauen in meinem Umfeld, die sehr jung an Brustkrebs erkrankt waren.
Warum sollte ausgerechnet ich diejenige sein, die mehr Glück als manche Freundin haben sollte?
Emotional, fühlte ich mich mit der Diagnose im freien Fall. Ich hatte Angst um mein Leben, um meine Zukunft und die meines Sohnes. Für mich bedeutete die Diagnose ein Schlag in mein allertiefstes Sein.
Nach dem Termin im Brustzentrum, fuhr ich zutiefst verunsichert nach Hause. Als mein Sohn kurz darauf von der Schule nach Hause kam, habe ich ihn ganz fest in meine Arme geschlossen und uns beiden geschworen, dass ich wieder gesund werde…
O: Brustkrebsdiagnose und alleinerziehende Mutter, in wie weit ist man auf die Unterstützung aus seinem Umfeld angewiesen?
N: Als alleinerziehende Mutter mit der Diagnose Brustkrebs, braucht es oftmals die Unterstützung aus dem Umfeld. Wie stark diese benötigt wird, kommt sicherlich auf das Alter des Kindes an, was nicht bedeutet, dass ein Teenager im Haushalt keinen Rückhalt von Freunden und Familie benötigt.
Dazu bedarf es auch einer offenen Kommunikation. Welche Hilfe ist erwünscht und wird benötigt? Wer kann unterstützen? Und vieles mehr. Sollte das private Umfeld die benötigte Unterstützung nicht leisten können, sollte man sich nicht scheuen, sich diese zu suchen.
Tatsache ist, dass Mütter mit der Diagnose Krebs viele zusätzliche Aufgaben und Anforderungen zu bewerkstelligen haben, als wenn man keine Kinder zu versorgen hat. Andererseits sind unsere Kinder vielleicht auch unsere Motivation, noch mehr positiv nach vorne zu schauen, als ohnehin schon…
O: Gab es Momente, in denen Du die Hoffnung verloren hast?
N: Die Hoffnung habe ich nie verloren. Und wenn ich manches Mal noch so verzweifelt war, weil die Behandlungen zunehmend anstrengender wurden oder als weitere Diagnosen folgten.
O: In Deinem Blog kann man nicht nur Dein Leben, sondern auch das Leben Deines Sohnes verfolgen. Wie konnte er mit Deiner Krebsdiagnose umgehen?
N: Mein Sohn konnte erstaunlich gut mit meiner Diagnose umgehen (Ausnahme: wenn ich mich übergeben musste! Das war RICHTIG schlimm für ihn!!!). Dazu muss ich anmerken, dass mein Sohn mit einer schweren Mehrfachbehinderung geboren wurde und zum Zeitpunkt meiner Diagnose, 13 Jahre alt war. Ich habe ihm kindgerecht alle anfallenden Behandlungsschritte erklärt. Trotz aller Bemühungen, habe ich ihn nicht vor allem Kummer bewahren können: Aber diese Zeit haben wir als TEAM zusammen bewältigt!!!
O: Aus welchen Beweggründen hast Du einen Gen-Test durchführen lassen? Würdest Du es anderen raten dies zu machen?
N: In einem Internetforum bin ich ein Jahr nach meiner Diagnose, erstmals auf das Thema BRCA1 aufmerksam geworden. Das Thema hat mich trotz aller beschwichtigenden Argumente meiner Ärzte, dass dies in meinem Fall sehr unwahrscheinlich sei, nicht mehr losgelassen. Also machte ich einen Termin in einem speziellen Zentrum aus, weil ich für mich und die Frauen in meiner Familie, alles richtigmachen wollte. Da man von einer geringen Wahrscheinlichkeit ausging, dass ich positiv getestet werden würde, musste ich acht Monate auf das Ergebnis warten.
Mit dem Ergebnis, dass ich BRCA22 positiv bin. Das war unbestreitbar ein Schock für mich. Dennoch betrachte ich es als positiv von dem Gendefekt zu wissen, da mir das Wissen die Möglichkeit schenkt, dem Krebs im besten Fall einen Schritt voraus sein zu können. Von daher empfehle ich den in Frage kommenden Frauen und ihren Familien, allen Mut zusammen zu nehmen und sich in einem der entsprechenden Zentren beraten zu lassen.
1 Als BRCA-Gene werden Tumorsuppressorgene bezeichnet, deren Mutationen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko für Brustkrebs einhergehen.
2 Mutationen im BRCA2-Gen sind für ein erhöhtes Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs, Brust- und Eierstockkrebs verantwortlich.
O: Kannst Du uns ein paar hilfreiche Tipps und Tricks geben, die Dir geholfen haben mit der Chemotherapie umzugehen?
N: Den allerwichtigsten Tipp, den ich einer Frau mit auf den Weg geben kann:
Betrachte die Chemotherapie als ein wichtiges Werkzeug, wieder gesund zu werden!!!
Halte Dir JEDEN Tag vor Augen, was Dir Kraft und Hoffnung schenkt! Verbringe Zeit mit Deinen Lieblingsmenschen! Gönn‘ Dir unbezahlbare Momente! Schenk Dir Schönes! Lass Dich verwöhnen! Bleibe in Bewegung! Eigne Dir Wissen an! Weine und schimpfe, wenn es sein muss, aber verliere NIE den Glauben an Dich!
O: Was hat Dir geholfen, die psychischen Belastungen zu verarbeiten und mit ihnen umzugehen?
N: Ich habe sehr offen mit meinen Freunden reden können. Dadurch schenkten sie mir einen sehr wichtigen Rückhalt. Zudem habe ich mich von einer Psychoonkologin unterstützen lassen.
Heute betrachte ich mich als gesund. Dennoch habe ich wie viele Überlebende nach den Behandlungsblöcken erkennen müssen, dass das Leben nach Krebs, nicht vorbehaltlos an Früher anknüpfen kann. Bis heute lebe ich mit den Spätfolgen der Therapien und den Nebenwirkungen einer Antihormontherapie.
Aus der Nachsorge und den Vorsorgeprogrammen, werde ich als BRCA2 Patientin nicht entlassen. Die vielen Termine über das Jahr verteilt, werfen jedes Mal die Frage auf: „Ist alles gut, oder ist der Krebs wieder da?“ Mir ist bewusst, dass circa 30% der überlebenden Frauen eines hormonsensiblen Brustkrebses, mit einem Fortschreiten ihrer Erkrankung rechnen müssen. Also bleibe ich wachsam…
…und schreibe! Das Schreiben wurde ein sehr wichtiges Instrument mit den psychischen Belastungen, damals wie heute, umzugehen. Aus meinen Aufzeichnungen entstand zum Beispiel auch meine Geschichte, die man auf meiner Homepage nachlesen kann.
O: Du engagierst dich sehr viel ehrenamtlich. Welche Organisationen unterstützt Du und kannst Du an andere Betroffene weiterempfehlen?
N: 2014 habe ich mich zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin ausbilden lassen. Heute unterstütze ich unter anderem mit meinen Erfahrungen als Krebspatientin, die Ausbildung für ehrenamtliche Hospizbegleiter_Innen in Aschaffenburg und Miltenberg.
Ich halte Lesungen aus meiner Geschichte auf Fach- und Patientinnentagungen und stehe für anschließende Diskussionen bereit. Ich bin in Patientinnenmeetings aktiv und habe mich für Verbesserungen in der Brustkrebsdiagnostik und auf politischer Ebene eingesetzt. Alles was rund um meinen Blog geschieht, ist „Ehrenamt“. Ich möchte mit diesem kein Geld verdienen und freue mich immer sehr, wenn ich in unterschiedlichster Art und Weise unterstützen und vernetzen kann.
Auf meiner Homepage ist eine Schnupperseite als Empfehlung hinterlegt. Auf ihr finden sich unterschiedlichste Organisationen und Projekte, die betroffenen Frauen und Männern eine Anlaufstelle in ihrem Kampf gegen den Krebs, bieten können.
O: In Deinem Blog geht es ja nicht nur um das Thema Krebs, sondern auch um Inklusion. Wie kannst Du diese beiden Themen miteinander vereinbaren? Wieso ist es wichtig über diese beiden Themen zu sprechen?
N: Beide Themen haben eines gemeinsam: Sie sind ein Tabu in unserer Gesellschaft!
Von daher ist es schön zu sehen, dass in beiden Bereichen mittlerweile so viele Betroffene ihre Stimme erheben, uns an ihrem Alltag und ihrem Engagement teilhaben lassen. Gleichgesinnte, fühlen sich durch unsere Offenheit weniger allein und verstanden. Im Bereich Krebs, sensibilisieren wir für Früherkennung, vermitteln Wissen und bieten Angehörigen und Freunden die Möglichkeit, ihren Herzensmenschen besser zu verstehen.
Durch unseren offenen Umgang richten wir den Blick nicht nur auf unser persönliches Schicksal, sondern machen auch auf Missstände im Sozialwesen aufmerksam. In beiden Themenbereichen benötigen wir nachhaltige, sozialpolitische Verbesserungen.
Wir alle wünschen uns gesehen und verstanden zu werden. Ganz gleich ob wir gesund, krank, behindert oder mit einer krankheitsbedingten Behinderung in unserem Leben konfrontiert sind. Traurige Tatsache ist: Menschen mit schwersten Behinderungen wie mein Sohn, haben die kleinste Lobby! Da nutzt auch das Grundgesetz nicht viel, in dem es heißt: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Wir haben noch viel zu tun, bis wir eines Tages vielleicht von einer selbstverständlich gelebten INKLUSION sprechen können, die ALLE Menschen unserer Gesellschaft ohne Benachteiligung einbezieht.
O: Was gefällt Dir am besten an Oncovia?
N: Hinter Oncovia steht ein sehr nettes und engagiertes Team. Die modern gestaltete Webseite bietet alle wichtigen Produkte an einem Ort an, die man sich als onkologische Patientin wünschen kann. Und ganz wichtig: Es werden viele Fragen rund um das Thema Beauty- und Wohlgefühl beantwortet!
O: Vielen Dank für Deine Zeit und Deine Lebensfreude!