Als Fatigue bezeichnet man die extreme Erschöpfung, unter der viele Krebspatienten leiden. Es handelt sich dabei um eine krankhafte Ermüdung, die das Leben der Betroffenen chronisch erschwert, da diese Art der Erschöpfung nicht durch Erholung oder Schlaf behoben werden kann.
Eine Definition des Neurologen David Cella lautet wie folgt:
„Die Tumorerschöpfung, auch Fatigue genannt, bedeutet eine außerordentliche Müdigkeit, mangelnde Energiereserven oder massiv erhöhtes Ruhebedürfnis, das absolut unverhältnismäßig zu vorangegangenen Aktivitäten ist.“
Zu den Symptomen, über die Betroffene klagen, gehören:
- Müdigkeit
- Lustlosigkeit
- Körperliche Schwäche und der Verlust der körperlichen Belastbarkeit
- Desinteresse
- Motivationsverlust
- Schlafstörungen
- Traurigkeit, Frust oder Reizbarkeit
- Seelische Erschöpfung
- Angst, nicht wieder gesund zu werden
- Konzentrationsstörungen
- Verlust der Freude am Leben
- Entfremdung von Freunden und Familie
Ursachen von Fatigue
Die Tumorerkrankung selbst
Krebs kann Veränderungen in Ihrem Körper verursachen, die zu Müdigkeit führen können. Einige Krebsarten setzen beispielsweise Proteine, Zytokine genannt, frei, von denen man annimmt, dass sie Müdigkeit verursachen. Zusätzlich kann Krebs den Energiebedarf Ihres Körpers erhöhen, Ihre Muskeln schwächen, Schäden an bestimmten Organen (wie Leber, Niere, Herz oder Lunge) verursachen oder die Hormone Ihres Körpers verändern, was alles zur Müdigkeit beitragen kann.
Die Folgen der Tumorbehandlung
Chemotherapie, Strahlentherapie, Operationen, Knochenmarktransplantation und Immuntherapie können zur Ermüdung beitragen. Die Krebstherapie greift neben den angestrebten Krebszellen auch die gesunden Zellen des Körpers an. Daher kann Müdigkeit auftreten, wenn Ihr Körper versucht, die Schäden an gesunden Zellen und Gewebe zu reparieren. Einige Nebenwirkungen der Behandlung – wie Anämie, Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Schlaflosigkeit und Stimmungsschwankungen – können ebenfalls ein Auslöser von Müdigkeit sein.
Medikamente
Viele Medikamente beeinträchtigen die Aufmerksamkeit, machen müde und fördern Fatigue. Dies gilt insbesondere für Schmerzmittel, die viele Patienten einnehmen.
Psychische Folgen der Krebserkrankung
Ängste, Stress oder Depressionen im Zusammenhang mit Ihrer Krebsdiagnose können ebenfalls zu Müdigkeit führen.
Schlafstörungen
Wenn Sie nachts weniger schlafen oder wenn Ihr Schlaf häufig unterbrochen wird, kann dies zu Schlafmangel und Müdigkeit führen.
Mangelernährung
Wenn Sie an Krebs erkrankt sind, kann sich Ihr Bedarf an Nährstoffen und Ihre Fähigkeit, diese zu verarbeiten, verändern. Es kann z. B. sein, dass Ihr Körper mehr Nährstoffe als gewöhnlich benötigen oder dass Sie nicht in der Lage sind, Nährstoffe angemessen zu verarbeiten. Möglicherweise nehmen Sie auch weniger Nährstoffe zu sich, wenn Ihr Appetit nachlässt oder wenn Nebenwirkungen der Behandlung wie Übelkeit und Erbrechen die Nahrungsaufnahme erschweren.
Mangel an körperlichem Training (Muskelabbau)
Wenn Sie vor Ihrer Krankheit einen aktiven Lebensstil gewöhnt und sportlich aktiv waren, kann ein Mangel an Bewegung, bedingt durch die Krebsdiagnose, zu Ermüdungserscheinungen führen. Versuchen Sie deshalb, im Rahmen des Möglichen, Ihren normalen Tagesablauf beizubehalten.
Hormonelle Veränderungen
Hormontherapien sind eine gängige Methode zur Behandlung bestimmter Krebsarten und können zu erheblicher Müdigkeit führen. Zudem können Hormonelle Veränderungen auch als Nebenwirkungen von Behandlungen wie Operationen, Strahlen- oder Chemotherapie auftreten. Veränderungen der Schilddrüse, der Nebennieren oder der Geschlechtsorgane können die zusätzlich Müdigkeit fördern.
Wann sollten Sie einen Arzt hinzuziehen?
Eine gewisse Müdigkeit während der Krebsbehandlung ist zu erwarten. Wenn Sie jedoch feststellen, dass die Fatigue hartnäckig ist, wochenlang anhält und Ihre Fähigkeit beeinträchtigt, Ihren alltäglichen Aufgaben nachzugehen, informieren Sie Ihren Arzt.
Sagen Sie Ihrem Arzt sofort Bescheid, wenn Ihre Fatigue folgende Symptome mit sich bringt:
- Verwirrung
- Schwindelgefühl
- Verlust des Gleichgewichts
- Unfähigkeit, das Bett in einem Zeitraum von mehr als 24 Stunden zu verlassen
- Atemnot
- Verschlimmerung der Symptome
Was sagen Sie Ihrem behandelnden Arzt?
Ihr Arzt wird Sie untersuchen und Ihnen Fragen stellen, um den Schweregrad und die Art Ihrer Symptome zu beurteilen. Dadurch erhält er Hinweise darauf, was die Ursache Ihrer Müdigkeit ist und wie diese am besten zu behandeln ist.
Ihr Arzt wird Ihnen möglicherweise folgende Fragen stellen:
Wann hat die Müdigkeit begonnen?
Ist sie seit Ihrer Diagnose weiter fortgeschritten?
Wie schwerwiegend ist die Müdigkeit?
Wie lange hält die Müdigkeit an?
Was lindert die Müdigkeit?
Wie und was essen Sie?
Was verschlimmert die Müdigkeit?
Wie wirkt sie sich auf Ihr tägliches Leben aus?
Leiden Sie unter Kurzatmigkeit oder Beschwerden in der Brust?
Wie gut schlafen Sie?
Wie fühlen Sie sich?
Zusätzlich zu diesen Fragen wird Ihr Arzt eine körperliche Untersuchung durchführen und Ihre Krankengeschichte, die Art Ihrer Behandlung, sowie alle Medikamente, die Sie einnehmen, weiter auswerten.
Therapieansätze bei Fatigue
Da krebsbedingte Müdigkeit durch viele Faktoren verursacht werden kann, schlägt Ihr Arzt möglicherweise mehr als eine Methode zur Verringerung und Bewältigung Ihrer Symptome vor.
Anämie
Die häufigste Ursache für eine akute Fatigue ist die Blutarmut (Anämie), für die es zwei Möglichkeiten der Behandlung gibt. Bei der ersten Methode werden dem Körper rote Blutkörperchen in Form einer Bluttransfusion zugeführt. Eine solche Blutübertragung verbessert zwar die Sauerstoffversorgung des Körpers sehr rasch, ist allerdings mit sehr seltenen Infektions- und Unverträglichkeitsrisiken verbunden.
Eine weitere Behandlungsmethode besteht darin, die körpereigene Produktion roter Blutkörperchen anzukurbeln, indem der Betroffene das für die Blutbildung zuständige Hormon Erythropoetin bekommt. Diese Art der Behandlung ist zwar risikoärmer, darf aber nur parallel zu einer Chemo- oder Strahlentherapie eingesetzt werden. Es kann jedoch einige Wochen dauern, bis sich der gewünschte Erfolg einstellt, und die Methode ist auch nicht bei allen Patienten wirksam. Die Erhöhung der Anzahl an roten Blutkörperchen verbessert fast immer die Leistungsfähigkeit und damit die Lebensqualität der Betroffenen.
Hormonelle Veränderungen und Schmerzen
Auch Stoffwechselstörungen können eine Ursache von Fatigue sein. Dazu gehören zum Beispiel Hormonstörungen – etwa der Schilddrüse, der Nebennieren oder der Geschlechtsorgane. Diese Ursachen von Fatigue können in der Regel medikamentös behandelt werden. Darüber hinaus kann die Krebserkrankung selbst beziehungsweise deren Behandlung zu Mangelernährung und Muskelschwäche führen. Auch dies können Ursachen für Fatigue sein, die sich jedoch gezielt und erfolgreich behandeln lassen. Ihr Arzt wird Ihnen Einzelheiten dazu erläutern. Letztlich können auch Medikamente selbst – zum Beispiel Schmerzmittel – Müdigkeit und Abgeschlagenheit hervorrufen und eine bestehende Fatigue verstärken. In diesen Fällen kann Ihr Arzt ebenfalls helfen.
Wie können Sie zur Linderung der Müdigkeit beitragen?
Gestalten Sie Ihren Tagesablauf bewusst.
Überlegen Sie schon abends, was Sie am nächsten Tag erledigen möchten. Das bewahrt vor all zu viel Aktionismus. Überlegen Sie dabei, welche Dinge wirklich wichtig sind und welche nicht unbedingt erledigt werden müssen.
Teilen Sie Ihre Kraft ein.
Achten Sie darauf, dass einer anstrengenden Tätigkeit eine leichtere folgt, und nehmen Sie sich Zeit zum Ausruhen. Machen Sie, wenn nötig, kurze Nickerchen – nicht länger als eine Stunde – über den Tag verteilt, anstatt sich für eine lange Zeitspanne auszuruhen, und machen Sie Ihrem Umfeld klar, dass Sie in dieser Zeit nicht gestört werden möchten.
Versuchen Sie, Tätigkeiten kräfteschonend zu gestalten, bügeln Sie beispielsweise im Sitzen. Behalten Sie die Zeiten im Auge, in denen Sie sich körperlich am wohlsten fühlen, und planen Sie die wichtigsten Aktivitäten zu diesem Zeitraum. Bitten Sie bei Bedarf um Hilfe.
Verfassen Sie ein Energietagebuch: Schreiben Sie über den Tag hinweg auf, welche Tätigkeiten Sie ausgeführt haben. Vergessen Sie dabei nicht, auch Ihre Pausen zu notieren und den Grad ihrer Erschöpfung auf einer Skala von 1–10 zu bewerten. Das Energietagebuch wird Ihnen dabei helfen, Ihre Aktivitäten im richtigen Maß zusammenzustellen und vorsichtig zu steigern.
Halten Sie Ihre Energiereserven aufrecht, indem Sie viel trinken.
Verzichten Sie dabei auf Koffein und Alkohol. Dehydrierung kann für Müdigkeit verantwortlich sein. Wenn Sie den Geschmack von einfachem Wasser nicht mögen, geben Sie in Scheiben geschnittene Zitronen-, Orangen- oder Limetten hinzu.
Snacks sind erlaubt.
Sie brauchen Kalorien, um bei Kräften zu bleiben. Wenn Sie keinen Appetit haben, versuchen Sie 5 bis 6 kleine Snacks über den Tag verteilt zu essen, anstatt drei großen Mahlzeiten.
Nehmen Sie sich Zeit für sich.
Überlegen Sie, was Ihr Wohlbefinden fördert und Ihnen guttut. Nehmen Sie diese Aktivitäten in Ihren Tagesablauf auf.
Bewegung tut gut.
Körperliche Aktivität kann Ihre Müdigkeit tatsächlich verringern. Studien mit Krebspatienten zeigen, dass sie weniger Ermüdungsgefühle verspüren, wenn sie sich drei- bis fünfmal pro Woche ca. 30 Minuten lang bewegen. Möglicherweise müssen Sie mit leichter Aktivität über einen kurzen Zeitraum beginnen. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Arzt, bevor Sie mit einem Übungsprogramm anfangen, um sicherzugehen, dass es keine für Ihre Situation spezifischen Einschränkungen gibt.
Sprechen Sie über Ihre Müdigkeit.
Gehen Sie nicht davon aus, dass sie, nur ein Teil der Krebsbehandlung ist. Wenn Sie sich chronisch müde fühlen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber, welche Faktoren Ihre Müdigkeit verursachen könnten und was Sie tun können, um sie zu verbessern.