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„Körper, Geist und Seele, wir bestehen daraus!“

Die Diagnose Krebs ist häufig ein Schock. Die Krankheit belastet nicht nur den Körper sondern auch die Psyche. Die Psychoonkologin aus Wiesbaden, Frau Petersen-Pröls, erzählt uns, wie sie Patienten in dieser schwierigen Lebenssituation zur Seite steht.

Oncovia: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wir freuen uns, dass Sie uns ein paar Fragen beantworten. Kennen Sie das Konzept von Oncovia?

Frau Petersen-Pröls: Ich habe mir natürlich schon einiges zu Oncovia durchgelesen und bin somit informiert. In Deutschland sind wir, was das Thema Krebs betrifft sehr separiert. In Deutschland bekommen Sie in den Sanitätshäusern Prothesen-BHs, Wäsche, Prothesen. Lassen Sie mich überlegen… Perücken bekommen Sie auch separat.

Was ich damit sagen will ist, dass das ganze Thema in Deutschland bislang nicht zusammengefasst ist.

Bei Oncovia hingegen ist das ganze Thema intelligent gebündelt worden, das finde ich toll.

O: Vielleicht erzählen Sie uns erstmal ein bisschen über sich und Ihren Werdegang?

Frau Petersen-Pröls: Wo fange ich denn da an… Ich bin Diplom-Psychologin und auf die Psychoonkologie gekommen, da mein Flyer zur Psychologie in der Aukamm-Apotheke in Wiesbaden auslag und dort entdeckt wurde. Ich wurde also gefragt, ob ich mir nicht auch vorstellen könnte, als Psychoonkologin in der Klinik zu arbeiten. Das Ganze ist jetzt 13 Jahre her. Seit 13 Jahren arbeite ich an der Asklepios Paulinen Klinik in Wiesbaden. Ich bin fortgebildet worden, habe zunächst ein Curriculum für Psychoonkologie gemacht, was aber nicht ausgereicht hat. Somit habe ich die ganze Fort- und Weiterbildung zur Psychoonkologie bei der Deutschen Krebsgesellschaft verfolgt. Bis heute bin ich als Psychoonkologin in der Klinik tätig.

Mein Mann ist Gynäkologe, mit eigener Praxis in Wiesbaden. Dort befindet sich auch meine Praxis, wo ich die Patienten, die es wünschen, weiter betreue. Ich arbeite also nicht nur in der Klinik. Selber bin ich Mutter von 4 Kindern und mittlerweile dreifache Großmutter.

O: Was macht eine Psychoonkologin genau? Was können Sie leisten? Was machen Sie genau mit den Patienten? 

Frau Petersen-Pröls: Die Psychoonkologie befasst sich damit den Patienten im Krankheitsverlauf und in seiner Krankheitsverarbeitung zu unterstützen. Bei uns in der Klinik sind wir so aufgestellt, dass die Erstkontakte in der Klinik stattfinden und auch dort immer längere Gespräche möglich sind. Bei Patienten, die zum Beispiel alleine liegen, ist das Gespräch auch mal am Bett möglich. Für andere Patienten stehen Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen man sich länger unterhalten kann. Darüber hinaus bieten wir beispielsweise auch Entspannungsmöglichkeiten an, die, wie es mittlerweile erkannt wurde, mit Visualisierung, autogenem Training und einer begleitenden Berührung sehr gut tun können. Berührung ist etwas, was ich mir selbst mit den Patienten erarbeitet habe. In diesem Fall meine ich, dass ich sie mit einer ganz leichten, in bin ja kein Psychotherapeut oder Masseur, Kopfmassage begleite und somit für eine bessere Entspannung sorge.

O: Das klingt interessant.

Frau Petersen-Pröls: Es gibt darüber mittlerweile auch etwas, das nennt sich die Maly-Meditation. Sie beschreibt, wie Zuwendung heilen kann. Im Prinzip ist es nichts anderes, als das, was ich mache. Wolfgang Maly macht es mit Meditation sowie Handauflegen, ich dagegen mache es über Visulisierung, autogenem Training sowie Handauflegen beziehungsweise leichten Massagen.

Das ist wirklich interessant. Herr Wolfgang Maly hat diese Meditation entwickelt. Mir ist das Buch an der Klinik über unseren chirurgischen Professor, der weiß, wie ich arbeite, in die Hände gefallen. Dazu sagte er mir: „So ähnlich machen sie das doch auch. Ich glaube, da sind Sie auf einem sehr richtigen Weg.“

O: Ist eine Unterstützung in Form von psychischer Betreuung für jeden Krebspatienten vorgesehen?

Frau Petersen-Pröls: Ja für die Krebspatienten ist es vorgesehen. Auch an allen anderen onkologischen Zentren ist es definitiv so – Jeder Krebspatient hat und sollte den Zugang haben. Natürlich, ist jede Klink anders aufgestellt und natürlich arbeitet auch jeder Psychoonkologe anders. Das heißt, es gibt Psychoonkologen, die in der Klinik ein Büro besitzen, wo die Patienten, die das Bedürfnis nach Unterstützung verspüren, hinkommen.. In diesem Fall sind wir in unserer Klinik  ganz anders aufgestellt.

Ich besuche jeden Patienten am Bett. Ich sage mir einfach, die Patienten sind sehr mit sich und ihrer Krankheit beschäftigt. Teilweise, nach OPs geht es schon gar nicht, dass die Patienten zu mir kommen. Ich bin eben so aufgestellt, dass ich zu jedem Patienten gehe.  Aber wie gesagt, das ist in jedem Haus anders. Zurück zu Ihrer Frage, ja die Betreuung ist in zertifizierten Häusern (Brustzentrum etc.) für jeden vorgesehen.

O: Inwiefern hängen Ihrer Meinung nach Psyche, seelische Verfassung und Krebs zusammen?

Frau Petersen-Pröls: Wenn Sie Mediziner fragen würden, würden ihnen diese wissenschaftlich wahrscheinlich etwas anderes erzählen. Auch nicht mehr alle, denn mittlerweile weiß jeder, was die Chinesen schon seit 5000 Jahren wissen. Körper, Geist und Seele  wir bestehen daraus, das können wir nicht voneinander trennen. Ist unsere Seele ein Stück weit erkrankt – ich sag mal durch längere seelische Belastungen – kann eine Erkrankung, wie eine Krebserkrankung, mit Sicherheit auch entstehen. Gewiss, besteht sie aus mehreren Faktoren. Das heißt, unsere Umwelt ist mit Sicherheit auch nicht wegzudenken. Genauso gilt das für die Frage, ob jemand einen hohen Alkohol- oder Nikotinkonsum hat.

Es gibt also mehrere Faktoren. Der psychische Faktor ist in unserer heutigen recht schnelllebigen und auch mit Sicherheit sehr groben Welt definitiv ein großer Faktor! Wenn ich mit Patienten im Kontakt stehe, wird mir dieser Punkt häufig bewusst. Oft sagen Patienten, obwohl ich sie noch gar nicht darauf angesprochen habe, „ich weiß schon woran das liegt, mich hat Das und Das sehr lange beschäftigt.“ Also sind das sicherlich Faktoren, die nicht zu vernachlässigen sind. Aber das eine, wie das andere, ist einfach nicht auszuschließen.

O: Wie sollte man am besten mit der Krankheit umgehen? Sicherlich gibt es verschiedene Diagnosen Krankheitsverläufe… Aber gibt es Ihrer Meinung nach grundlegende Ratschläge, um eine gewisse Lebensqualität zu erhalten? 

Frau Petersen-Pröls: Also grundlegende Ratschläge habe ich sicherlich nicht. Ich sage es mal so: Jede Erkrankung, wir sprechen hier ja immer von einer chronischen Erkrankung, weil Patienten auch noch lange nach einer OP medizinisch sowie psychologisch begleitet werden müssen, ist anders. Viele Patienten lassen sich mittlerweile tatsächlich auch noch nach einer OP begleiten, damit sie relativ ausgewogen psychisch „Sein“ können. Diese längerfristige Begleitung ist wichtig, da ansonsten Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf Diagnosestellung erst einmal in eine Schublade gesteckt werden. Außerdem besteht auch nach abgeschlossenen Therapien häufig keine direkte Zuwendung mehr von Ärzten in der Klinik. Patienten, die also wirklich Ängste aufweisen, kommen dann zu mir in die Praxis.

Zurück zu Ihrer Frage: Um eine gewisse Lebensqualität beizubehalten, ist es wichtig, dass sich die Patienten austauschen können. Es ist unabdingbar, dass sie ihre Ängste und Nöte auch einem Psychologen, einem Psychoonkologen mitteilen können. Häufig kommt es vor, dass Patienten ihre Familienmitglieder nicht weiter belasten wollen. Dann sprechen sie bewusst einige Dinge, und damit meine ich den Tod, gar nicht bei Angehörigen an. Das machen sie logischerweise natürlich besser und lieber bei neutralen Personen. Hier dürfen sie ihre Ängste ein Stück weit rauslassen und das sollten sie auch. Dieses Ventil ist also sehr wichtig.

O: Betreuen Sie auch Angehörige?

Frau Petersen-Pröls: Ja ganz richtig. Das gehört mit dazu, dass wir Angehörige ein Stück weit mitbetreuen, denn auch sie haben Ängste und Nöte, die mit der Krankheit im Zusammenhang stehen. Ganz oft ist es wichtig, Dinge, die nicht mehr rund laufen oder Themen, die Einer, wie der Andere nicht anspricht, die aber besser angesprochen werden sollten, zu behandeln.

O: Welche Rolle spielt das Umfeld, Familie, Freunde, eines Patienten?

Frau Petersen-Pröls: Eine sehr wichtige – solange Familie da ist. Es gibt ja durchaus auch Patienten, wo Familie da ist, die sich aber nicht so großartig kümmert. Es gibt auch Patienten, die zu ihrer Familie kaum Kontakt haben und wo schon über Jahre hinweg irgendwelche Differenzen bestehen. Dann ist es für den Patienten natürlich sehr schwer…

Wenn die Familie hingegen wirklich gut und richtig hinter einem Patienten steht, merkt man das deutlich. Ganz einfach gesagt: Diese Unterstützung ist für die Lebensqualität wichtig.

Wenn Angehörige Patienten begleiten, ist das für den ganzen Prozess jedes Einzelnen nur positiv.

Es ist der Patient, der sagt „wenn es nicht mehr geht, geht es nicht mehr.“ In solchen Fällen geraten Angehörige ganz schnell an ihre Grenzen.

O: Wie gehen Sie in Ihrem Beruf damit um, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht? Wie kommen Sie mit dieser Belastung klar und was vermitteln Sie den Betroffenen?

Frau Petersen-Pröls: Ich selber kann mich jetzt, dank der letzten Jahre, selber ganz gut schützen. Dabei hat mir auch meine Arbeit als ehrenamtlich Notfallseelsorgerin geholfen, allerdings bin ich nicht mehr aktiv im Dienst. Dort haben wir eines ganz explizit gelernt: Distanz zu halten. Das bedeutet jetzt nicht, dass ich nicht emphatisch bin. So möchte ich jetzt auch bitte nicht verstanden werden! Sondern ganz im Gegenteil. Wenn ich zu meinen Patienten gehe, bin ich für den Patienten da, in jeglicher Situation. Wenn ich aber die Praxis oder die Klinik verlasse, mache ich eine imaginäre Tür für mich zu und bin in meiner Welt. Das ist enorm wichtig. Wenn ich diese Tür dann wieder öffne, bin ich voll bei meinen Patienten.

Mit den Patienten selbst spreche ich natürlich auch, je nach Lage. Es ist so, dass mir im Krankenhaus oftmals Schwestern und Ärzte sagen: „Du ich glaube der hat das negiert, dass da leider nichts mehr zu machen ist“. Also gehe ich schon mit einer ganz speziellen Haltung in die Situation hinein. Häufig, habe ich aber festgestellt, dass das gar nicht stimmt, wie es die Schwestern oder Ärzte aufgefasst haben. Der Patient, weiß sehr wohl, wie es um ihn steht. Nur, wenn er es bei diesen Personen ignorieren will, dann ist es etwas, was er für sich entschieden hat. Der Patient muss versuchen, mit der Situation umgehen zu können. Das heißt, ich komme meistens ganz unbedarft rein, stelle mich vor, ich sage wer ich bin. Im Rahmen meiner Aufgabe als Psychoonkologin teile ich dann mit, dass ich mir für jeden Krebspatienten so viel Zeit wie nötig nehme. Das ist mein Zugang. Dann frage ich den Patienten natürlich auch: „Wie ist es um Sie bestellt“?

Zusammengefasst, weiß ich von nichts und lasse den Patienten erzählen. Damit bekomme ich heraus, was der Patient negiert und was nicht. Meistens hat er aber gar nichts negiert. Ganz im Gegenteil, er weiß ganz genau, wie es um ihn steht.

Häufig hat er nur seinen Weg gefunden damit umzugehen.

O: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?

Frau Petersen-Pröls: Nein nicht wirklich. Allerdings gibt es bei dem Thema Psychoonkologie etwas, was mir wirklich sehr am Herzen liegt. Wir müssen eines sein: Emphatisch!

Wir sollten immer ganz beim Patienten sein und nicht zu viel an Regularien oder dergleichen  denken. Für mich ist es wichtig, dass der Patient von meinem Dasein und Zuhören profitieren kann. Das ist Etwas was mir wirklich am Herzen liegt.

O: Vielen herzlichen Dank für Ihre Offenheit und dieses informative Gespräch.

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