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“Unheilbar aber glücklich”

Claudia hat im Juli 2013 die Diagnose Brustkrebs mit Leber- und Knochenmetastasen bekommen. Mit Metastasen gilt man normalerweise als unheilbar. Doch Claudia lässt sich von ihrer schweren Erkrankung nicht davon abhalten, das Leben in vollen Zügen zu genießen.

In ihrem Facebook Blog „Claudia’s Cancer Challenge“ www.facebook.com/claudiascancerchallenge kann man sie in ihrem Alltag begleiten. Sie begeistert ihre Leser durch ihre positive, lebensfrohe Art – erzählt aber auch ehrlich und schonungslos, wie es sich anfühlt, Krebs zu haben.

Wir hatten die tolle Möglichkeit, Claudia in einem Interview besser kennenzulernen und möchten ihr danken für ihre Offenheit und ihre Lebensfreude, die bestimmt vielen Menschen Mut und Hoffnung schenkt!

Oncovia: Du hast mit 38 Jahren die Diagnose bekommen, unheilbar krank zu sein. Wie hat das Dein Leben verändert?

Claudia: Bei mir wurde im Juli 2013 fortgeschrittener Brustkrebs mit Leber- und Knochenmetastasen festgestellt. Ohne Vorwarnung, ohne genetische Prädisposition – trotz regelmäßiger Gynäkologen Besuche. Ich hatte einfach Pech.

Mit der Diagnose „unheilbar“ konfrontiert zu werden, entzieht einem den Boden unter den Füßen und man stürzt in ein tiefes, schwarzes Loch. Zuerst verharrt man in Schockstarre, dann folgt Trauerarbeit. Es dauert lange, bis man die Krankheit als Teil von sich selbst akzeptieren und sich mit ihr arrangieren kann.

Irgendwann war für mich jedoch klar, dass es nur zwei Alternativen gibt: Entweder zu Hause sitzen und aufs Sterben zu warten oder rausgehen und das Leben genießen. Ich habe mich für zweiteres entschieden.

Ich gebe meiner Krankheit natürlich Raum, gestatte ihr aber nicht, mich völlig zu vereinnahmen. Es gibt noch so vieles rundherum, an dem ich interessiert bin.

Ich mag folgende Metapher: Die Krankheit ist mein Beifahrer, den ich zwar nicht mehr loswerde, aber von dem ich mir auch nicht ins Steuer greifen lasse. Ich gebe den Weg vor.

Verändert hat sich natürlich vieles. Ich verbringe jede Menge Zeit bei ÄrztInnen und im Krankenhaus, ich bin nur mehr geringfügig berufstätig, ich weiß, dass Zeit ein wertvolles Gut ist und versuche sie bestens mit lieben Menschen zu nützen und ich habe eine andere Prioritätensetzung als früher.

O: Woher nimmst Du all die Kraft im Kampf gegen den Krebs, aber auch für Dein soziales Engagement?

C: Ich bin generell ein unruhiger, quirliger und kommunikativer Geist und umgebe mich gerne mit Herzensmenschen. Bei ihnen kann ich meinen Frust ablassen und bekomme im Gegenzug eine Außensicht. Mein Mann Peter, meine Eltern und meine FreundInnen begleiten, unterstützen und motivieren mich. Das ist eine große Kraftquelle. Generell ist ein soziales Netz, in das man sich bei Bedarf getrost fallen lassen kann, äußerst wichtig.

Zudem ist Schreiben ein bedeutender Teil meines Verarbeitungsprozesses. Gefühle und Erlebnisse in Worte zu fassen, lässt mich einerseits über vieles nachdenken und bringt mich andererseits auf neue Ideen und pusht mich nach vorne. So schreibe ich täglich an meinem Blog (www.facebook.com/claudiascancerchallenge) oder widme mich der Arbeit an meinem Buch, das im nächsten Jahr erscheinen soll. Ich möchte meine Erfahrungen und Tipps an Betroffene und Angehörige weitergeben, aber auch eine Stimme für metastasierte Brustkrebspatientinnen sein. Das Feedback, das ich dafür bekomme, ist eine wertvolle Anerkennung, aus der ich ebenfalls Kraft schöpfe.

Und dann gibt es noch eine Reihe anderer Dinge die ich liebe: Reisen, Musik hören, lesen, fotografieren … usw.

O: Wie kamst Du zu der Idee eines Facebook Blogs?

C: Ich komme ursprünglich aus der journalistischen Ecke und habe einige Jahre Medienarbeit gemacht. Doch irgendwann war aufgrund meiner Erkrankung an einen geregelten Arbeitsalltag nicht mehr zu denken. Ich wollte aber nicht nur nutzlos daheimsitzen, sondern etwas für mich, für andere Betroffene und für Angehörige tun, das in Zusammenhang mit meiner Krankheit steht. Und so entstand die Idee zum Blog, mit dem ich dann am 1. Juli 2016 online ging. Seither schreibe ich täglich – tagebuchähnlich. Und das mit großer Leidenschaft.

Im Rahmen meiner Cancer Challenge möchte ich alle Aspekte des umfangreichen Themenschwerpunkts „Metastasierter Brustkrebs“ aus meiner ganz persönlichen Sicht beleuchten – von „wie fühlt sich eine Chemo an“ bis hin zu „wie geht man mit Glatze um“.

Ich will anderen Betroffenen in erster Linie Mut und Hoffnung machen, eine Diskussionsplattform bieten, relevante medizinische Infos weitergeben, zur Vorsorge aufrufen und für Brustkrebs-Vernetzung sorgen. Pink Ribbon ist Trumpf. Außerdem erzähle ich den LeserInnen, welche Gedanken mir durch den Kopf gehen und wie mein Krankheitsalltag aussieht.

Ich freue mich sehr, dass mein Blog auch tatsächlich wahrgenommen wird. So wurde ich 2016 dafür mit dem Dancer against Cancer myAID-Award ausgezeichnet. Unlängst berichtete der ORF im Rahmen der Sendung „heute konkret“ darüber. Und auch in einigen Magazinen und Zeitungen gab es Artikel. Das werte ich als schönen Erfolg.

O: In Deinem Blog nimmst Du Deine Follower immer auf deine zahlreichen Reisen mit. Ist dieses Hobby erst mit der Krebsdiagnose gekommen und inwiefern hilft es Dir in Deinem Kampf gegen den Krebs?

C: Reisen ist mein allerliebstes Hobby, verschafft mir eine Auszeit vom Krankheitsalltag und gibt mir Freiheit. Reisen verleiht mir im wahrsten Sinne des Wortes Flügel.

Meine Krankheit bleibt stets zu Hause und steigt nicht mit in den Flieger ein. So kann ich meine Urlaube unbeschwert und fröhlich verbringen und in vollen Zügen genießen.

Früher haben wir viele Fernreisen unternommen. Doch nun bin ich durch meinen Untersuchungsrhythmus und diverse Nebenwirkungen doch recht eingeschränkt.

Im Moment geht’s besonders oft nach England – in meine zweite Heimat. Dort wohnt meine Seele. Ich liebe Land & Leute und würde gerne mal längere Zeit dort verbringen.

Den Charakter eines Landes zu erkunden, Orte zu besuchen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, jede Menge Neues und Wissenswertes zu erfahren – das macht einfach Spaß. Und lenkt natürlich vom öden Krankendasein ab.

O: Auf Deinen Bildern bist Du immer super schön gestylt! Hast Du ein paar Beauty-Tipps für während der Chemotherapie?

C: Oh, Dankeschön! 🙂

Mir war es auch während der Chemotherapie immer wichtig, mich selbst ansehen zu können und mir nicht denken zu müssen: „Wer schaut mir denn da im Spiegel entgegen?“. Das hatte für mein eigenes Wohlbefinden große Bedeutung.

Ein bisschen Farbe ins Gesicht – Grundierung, Augen und Augenbrauen ein wenig betonen und ein bisschen Lippenstift – und schon sieht man viel frischer aus.

Während einer kräftezehrenden Therapie soll’s kleidungstechnisch vor allem bequem sein. Wie wär’s mit einer bequemen Leggins, dann ein Flatter-Kleidchen aus angenehmem Baumwollstoff drüber, Jäckchen gegen das Kältegefühl, Ballerinas dazu – und fertig ist der Look.

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Fotoshooting für „Recover your smile“, © Tom Haider

 

O: Du strahlst so viel Lebensfreude aus. Gibt es Momente, in denen Du die Hoffnung verlierst?

C: Natürlich habe ich auch dunkle Tage, an denen es mir ganz und gar nicht gut geht. An denen sich Hoffnungslosigkeit und Angst breitmachen, an denen man mit seinem Schicksal hadert. Aber Traurigkeit und Tränen sind Teil einer Krebserkrankung – auch diese Gefühle muss man zulassen können. Man kann nicht immer nur stark und strahlend sein.

Ich sehe meine Krankheit jedoch generell als große Herausforderung, die es mit Zuversicht, Zielgerichtetheit und jeder Menge Lebensfreude zu meistern gilt. Das hat mir über so manch schwere Stunde hinweggeholfen.

In den letzten dreieinhalb Jahren hatte ich viele Hochs und Tiefs, gute und schlechte Untersuchungsbefunde, inspirierende Begegnungen und interessante Erkenntnisse aber auch üble Schockerlebnisse und niederschmetternde Diagnosen. Nichts hatte Beständigkeit. Progression – die nächste OP – Therapie – Stillstand und dann alles wieder von vorne. Dazwischen immer das unsägliche Warten auf den Befund. Man hat das Gefühl mit einem Affenzahn in der Hochschaubahn unterwegs zu sein. Mal geht’s langsam nach oben, dann wieder steil bergab und umgekehrt. Damit muss man leider lernen zurechtzukommen. Irgendwann scheint dann immer wiedermal die Sonne.

O: Wie kamst Du mit den körperlichen Veränderungen (z.B. Haarausfall) während Deinen Behandlungen zurecht?

C: Auch wenn alle, die gerade in dieser Phase stecken, denken, es gäbe nichts Grässlicheres als die Wallemähne zu verlieren – so ist das bestimmt nicht der Fall. Viel schlimmer wäre es, die Chemo würde nicht greifen.

Ja, der erste glatzköpfige Blick in den Spiegel ist definitiv ein Schock (und ich habe dabei auch das eine oder andere Tränchen vergossen) – aber alles kein Weltuntergang. Zugegeben, damals habe ich das anders wahrgenommen – aber mit einigem Abstand auf den Punkt gebracht: Es gibt Wichtigeres als Haare!

Nichtsdestotrotz bedeutet der Haarausfall für viele Frauen den Verlust der Weiblichkeit, des Sich-selbst-anschauen-könnens und der Normalität.

Meine Devise gleich zu Beginn war: radikal rasieren. Das würde ich auch allen Betroffenen raten.

Ich habe mich dann für eine schicke Perücke entschieden, die ich auch stets als „meine Freundin“ betrachtet habe. Mit ihr am Kopf gefiel ich mir und wurde nicht von wildfremden Menschen auf der Straße angestarrt. Das war für mich die beste Lösung. Aber da hat jede/r seinen/ihren ganz eigenen Weg – mit Glatze, Tuch, Käppi oder eben Perücke. Heute hätte ich wahrscheinlich bereits den Mut zum kahlen Haupt.

Ohne Chemo hätte ich übrigens immer noch meine klassischen (manche würden meinen: langweiligen) mittellangen, glatten Haare – und so ist’s eine freche, jugendliche Kurzhaar-Stehfrisur geworden – mein Signature Cut. Also nichts Schlimmes ohne was Gutes.

O: All Deine Follower wissen, dass Du dich viel engagierst. Welche Projekte verfolgst Du und welche findest Du besonders wichtig?

C: Ich möchte an dieser Stelle mit meiner zentralen Botschaft an alle Frauen beginnen, die da lautet: „Bitte geht regelmäßig zur Mammografie. Früh erkannt ist Brustkrebs eine Erkrankung mit ausgezeichneten Heilungschancen.“

Ich habe meinen Fokus voll und ganz auf Brustkrebsaktivitäten gerichtet. Ich will aus meiner Krankheit Positives schöpfen, möchte „Brustkrebsbotschafterin“ sein. Ich versuche Betroffene an der Hand zu nehmen, sie zu begleiten und sie an meiner Erfahrung teilhaben zu lassen. Es geht aber auch darum, Bewusstsein zu schaffen, Frauen an die Vorsorgeuntersuchung zu erinnern. Schließlich trifft es jede achte Frau. In dieser „Krebsarbeit“ gehe ich auf. Pink Ribbon rules!

Ich unterstütze mit Begeisterung die Österreichische Krebshilfe. So durfte ich das Vorwort zur diesjährigen Pink Ribbon-Broschüre schreiben und wurde für den Film anlässlich „15 Jahre Pink Ribbon in Österreich“ als Betroffene interviewt. Ich schätze die wertvolle Arbeit der Krebshilfe und stelle mich gerne in den Dienst der guten Sache.

Ich verfolge darüber hinaus auch eigene Projekte, wie zum Beispiel meine Spenden-Aktion „Pinker Sternenstaub“ oder „WN in Pink“ – ein onkologisches Charity-Foto-Shooting für Brustkrebs-Frauen, das ich vor ein paar Tagen organisiert habe.

In andere Krebs basierte Projekte bin ich ebenfalls involviert (z. B. Dancer against Cancer, Kurvenkratzer usw.).

Wenn ich gebraucht werde, wenn ich Handlungsbedarf sehe, wenn ich Betroffenen helfen kann, dann bin ich gerne zur Stelle! 🙂

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Titelbild zum Blog „Claudia’s Cancer Challenge“, © Beatrice Schlögl

 

O: Hast Du einen Geheimtipp, wie man sich als Frau trotz der Krebsdiagnose schön fühlen kann?

C: Schönheit ist in erster Linie eine Sache des Selbstwertgefühls. Wer innerlich mit sich im Reinen ist, ein erfülltes und zufriedenes Leben führt, der wird automatisch strahlen. Dieses Charisma ist unübersehbar. Und ja, man kann auch unheilbar, aber glücklich sein – ich bin da ein gutes Beispiel. 😉

Zudem ist es Balsam für die angegriffene Seele, sich selbst wohlzutun. Sei es durch ein köstliches Essen, ein entspannendes Bad, eine neue Handtasche – was auch immer.

Wenn man die Schönheit allerdings auf „gutes Aussehen“ reduziert, lässt sich auch kosmetisch nachhelfen. Ein gekonntes Make-up vermag die Spuren einer Chemotherapie nahezu wegzuzaubern.

Wer beispielsweise mit seinem haarlosen Gesicht hadert, kann sich überlegen, seine Augenbrauen mit Permanent Make-up nachzeichnen zu lassen. Augenbrauen fehlen ganz besonders, weil sie dem Gesicht einen Rahmen geben. Einfach die natürliche Form, solange die Härchen noch da sind, pigmentieren und später auffüllen lassen. Das ist besser als jeden Tag mühsam zu schminken und der Optik ist es auch zuträglich. Das wäre mein Geheimtipp!

O: Wie kommt Dein Umfeld (Dein Ehemann, Deine Familie und engste Freunde) mit Deiner Krankheit zurecht?

C: Ich habe den allerbesten Mann der Welt. Als Peter mir 2008 versprach, in guten wie in schlechten Zeiten an meiner Seite zu sein, ahnte er nicht, was noch auf uns zukommen würde. Meine Krankheit stellte nicht nur mein, sondern auch sein Leben total auf den Kopf. Peter ließ mich nie aus den Augen, begleitete mich zu Untersuchungen, ging mit zu Arztgesprächen, besuchte mich täglich im Krankenhaus, kümmerte sich um den Haushalt, versuchte, jede Belastung von mir fernzuhalten – und war einfach immer für mich da. Einen Partner wie ihn an seiner Seite zu wissen, ist natürlich ein großes Geschenk.

Meine Eltern hat die Diagnose mitunter am schlimmsten getroffen. Während meine Mutter im Laufe der Zeit eine beachtliche Entwicklung vom heulenden Elend hin zur wertvollen Begleiterin durchmachte, war mein Vater stets die große motivierende Figur. Es galt und gilt, die schwierige, herausfordernde Situation bestmöglich zu meistern. We are family! 😉

Meine engsten FreundInnen sind wunderbare GesprächspartnerInnen, lenken mich ab und bringen mich zum Lachen. Wir unterhalten uns völlig normal über meine Erkrankung – ohne Scheue, ohne Tabus, sind dann aber gleich beim nächsten Thema. Schließlich bin ich mehr als meine Krankheit und habe unzählige andere Interessen.

Ich halte funktionierende soziale Kontakte für essenziell und bin froh über all die Herzensmenschen in meinem Leben!

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Claudia mit ihrem Mann Peter, © Fotomanufaktur Grünwald

 

O: Danke liebe Claudia für Deine Lebensfreude und Deine Offenheit!
  • Eva Rauter

    Posté le 23 August 2017

    Eine sehr beeindruckende Frau!!!! Ich hätte die Ehre sie persönlich kennen zu lernen 😀

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